Nach einem spannenden, wenn auch nur mäßig erholsamen Wochenendtrip sind G und ich gestern wieder zu Hause angekommen. Verreist waren wir mit zwei anderen Müttern und deren Söhnen. Das Ziel war ein idyllisches Forsthaus am Zenssee. Vor Ort machte ich dann Bekanntschaft mit dem Lebensalltag und den Gedanken eines Berufsjägers, während im Ofen die veganen Muffins aufgingen…
Haus und Garten waren perfekt geeignet für unsere kleine Reisegruppe. Der überschaubare Hof bot den Kindern reichlich Gelegenheit zum Austoben und Entdecken.
In Sichtweite lag der Zenssee, den wir bei besserem Wetter gerne mit dem Ruderboot befahren hätten. Aber die Eisheiligen brachten durchwachsenes Wetter mit und so blieben wir lieber auf dem Steg.
Dort geriet ich bereits zum ersten Mal in mittelschwere Verunsicherung, als G dem Förster hochinteressiert beim Angeln zusah.
Auch der andere kleine Junge wollte am liebsten selber gleich loslegen und Fische angeln.
Also bekamen beide „Angelruten“ aus Schilfrohr und fischten lange und ausgiebig im See. Ich schlug meinem Jungen vor, die Fische doch wieder ins Wasser zu werfen, aber er legte sie natürlich in den imaginären Eimer und wollte sie alle mit nach Hause nehmen. Seufz. So sei es denn, dachte ich und sagte nichts mehr.
Meine Outdoorqualitäten schnellten in ungeahnte Höhen, als ich die ersten Feuer meines Lebens selbst in Gang brachte. (Ok, ich gebe zu, beim ersten Versuch musste L mir unter die Arme greifen, aber danach hatte ich den Dreh raus).
Wir genossen kleine Sonnenfetzen im Garten und im Wald. G lernte nachhaltig, was Brennesseln sind, als er sich vor Übermut am Waldrand in ein kleines Nesselbeet warf.
Meine Mitreisenden tolerierten meine vegane Lebensweise, konnten mit meinen tierfreien Alternativen aber selbst nicht viel anfangen.
Statt dessen gab es Wildwürste aus dem eigenen Bestand. Der Jäger erzählte uns einige schaurige Details über die Schlachtung und Lagerung der Tierkörper. Als mein Magen sich wieder beruhigt hatte, biss ich in meine Tofuwurst-Stulle und dachte an friedlich grasende Rehkitze.
So ging die Zeit schnell um am Zenssee. Mein Junge hatte sich leider immer wieder in den Haaren mit dem anderen Kind und musste einige frustrierende Ereignisse erleben. Doch ich hoffe, ich konnte ihn gut hindurch begleiten und ihm helfen, sich bei Streit und fehlender Harmonie mit einem anderen Kind selbst besser abzugrenzen. Es schien jedenfalls so zu sein.
Am Lagerfeuer hörten wir dann noch mehr Geschichten aus dem Leben des Jägers und ich fühlte mich ziemlich fehl am Platze. Trotz aller Sympathie und allem Verständnis für den Mann, der sein Leben lang nichts anderes gemacht hat und in seinem eigenen Verständnis tatsächlich das „Beste“ für seine Beute tun will (im Sinne eines schnellen Todes und Vermeidung von unnötigen Qualen beim Sterben), konnte ich einfach nicht umhin, am liebsten schreiend weglaufen zu wollen.
Wenn die Tiere nur „Stücke“ sind, die gehetzt werden und wenn sich die Gedanken um die Größe des Schusskanals und um den Bleigehalt der Rehkeule drehen, dann dreht sich bei mir innerlich nur eins: mein Magen um. Wie kann dies Normalität, ja gesellschaftlich anerkanntes und teils sogar bewundertes Handeln sein? Wieso war ich nur die einzige, die beim Gedanken an diese Tiergewalt derartig erschüttert war und die in dem Wildwürstchen auf dem Rost nur Unrecht und Perversion zu sehen vermochte?
Ich weiß es nicht und werde es vielleicht auch niemals beantworten können. Eins weiß ich aber genau: Wenn mein Kind dabei ist, möchte ich nicht noch einmal eine solche Unterkunft wählen, da meine innere Zerissenheit, der in mir schwelende Konflikt im Umgang mit Menschen, die so völlig andere Werte haben als ich, mich momentan zu sehr aufwühlt. Und das muss an einem entspannten Urlaubswochenende ja eigentlich nicht sein, oder?